INTENTION

 

WEIHNACHTEN. LINZ. 1972.

  

Wir sind bei Oma. Es ist Abend. Der Christbaum und die Geschenke für die Bescherung müssen vorbereitet werden. Dass es das Christkind nicht gibt, weiß ich noch nicht und so werde ich für die Vorbereitungen aus der Wohnung geschickt. 

 

Meine Mutter dreht mit mir eine Runde im Viertel. Wir gehen die Siedlung entlang. Manchmal bleiben wir stehen und schauen. Wir sehen aus der kalten, dunklen Nacht in beleuchtete, warme Räume. Manchmal ist es nur der Schein der Christbaumkerzen, der das Zimmer erhellt und die sonst schwarze Fensterfläche zum dreidimensionalen „Dahinter“ wachsen lässt.

  

Die Wohnungen im Erdgeschoss liegen leicht erhöht. So sehen wir nur das obere Drittel der Räume: die Lampenschirme, die Einbauschränke mit Büchern und Nippes, manchmal ein Stück von einem Bild an der Wand, die Deckengestaltung, die Wandfarbe oder – ganz modern – die gemusterte Tapete.

  

Wie sieht der Rest der Wohnung aus? Wie groß ist sie und welche Menschen wohnen in ihr? Neugierig auf die Antworten und auch darauf, was das Christkind bringen wird, gehen wir langsam wieder zurück. Hand in Hand. Ins warme Nest.

 

Bibiana Weber, 2014 


ARBEITSWEISE

Sensibles Herantasten und Hineinfühlen in Material und Form sind (...) Aufgaben, denen sich BIBIANA WEBER mit teils sperrigen, teils harten und kühlen Materialien, auch rostenden Metallen stellt. Das Arbeiten mit Stahl und verwandten Stoffen ist der Künstlerin vertraut; sie hat sich gründlich darauf vorbereitet (...).

(...) baut Weber an Räumen, realen und fiktiven. Es sind unterschiedliche Konstruktionen mit verschiedenen Materialien, die einerseits als Zuflucht, als Hort und damit Schutz vor dem Außen dienen, andererseits genügend Luft zum Atmen geben. Ihre „Häuservariationen“ sind allein durch die Präsentationen, schon Schätze von besonderem Wert.


Bibiana Weber spielt dabei (...) das Spiel der Experimente hinsichtlich Material und Form perfekt. Von Fundstücken inspiriert und passend adaptiert, plant Sie Sequenz für Sequenz, lässt das Werk wachsen und gedeihen, Schritt für Schritt, wie ich es schon live erleben durfte. Es ist ein spannender, ein aufregender Prozess, der die Künstlerin physisch und psychisch auch in Grenzerfahrungsbereiche schickt.

Ihr riesiger „Kokon“, erstmals aus Lianen gewoben, dann aus Stahlstreifen variiert, steht für das, was auch in der Natur passiert: Verwandlung, sobald der Schmetterling in sein neues Leben taucht. Leicht und transparent, scheinbar mühelos, fügt sich bei ihr Teil für Teil zum amorphen Objekt, Stück für Stück.

Umgekehrt, und dies trifft hier im Besonderen auf ihre graphischen Arbeiten zu, verändert sie Vorhandenes, Altes, wofür sie schon seit Kindheit an – wie sie sagt - ein Faible besitzt. Gebrauchtes, auf Flohmärkten Entdecktes (wobei die Dinge die Künstlerin entdecken!), befreit Bibiana Weber vom Ballast der Vergangenheit, indem sie das für sie Unwichtige durch Übermalen oder Abkratzen entfernt, decollagiert und es für den Betrachter so nicht mehr in Erscheinung tritt. Existent ist es allemal, aber es bleibt ausgeblendet, verborgen und ist damit aber faszinierend neu belebt.

Dr. Michaela Weihs

Textpassagen aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung „Premiere“ mit Carolina C. Kreusch und Heiko Börner in der Galerie Forum Wels am 3.10.2012